Freitag, 25. Juli 2008

Kreative Köpfe: Andrea Scartazzin


Basel.- Für den jungen Schweizer Komponisten Andrea Scartazzini, der neben Komposition auch Italianistik und Germanistik studiert hat, sind Texte eine wichtige Inspirationsquelle für seine Kompositionen. Kurz, der gebürtige Basler hat ein Faible für geheimnisvolle Wirklichkeiten, diejenigen, hinter der Wirklichkeit. Und dabei ist er so vielseitig wie das Leben selbst. Er greift dabei bevorzugt auf Vorlagen zurück, die der Musik immer eine wichtige und eigenständige Dimension hinzufügen: ein idealer Kandidat für die 15 Fragen für 3land.info.

Lebensmotto? Bisher ging’s ohne Motto.

Sternzeichen? Steinbock

Jahrgang? 1971

Wie würden Sie sich und Ihre künstlerische Arbeit beschreiben (Ihre Antriebsfedern, die Themen; was wollen Sie für sich und die anderen damit erreichen?)
Ich: nett, umgänglich. Meine Musik: Antriebsfeder ist meist der nächste Auftrag/ die nächste Komposition. Themen: Das lässt sich nicht so einfach in Worte fassen; grob gesagt interessiert mich an Musik das Kräftige, Aufgeraute, Rostige, Wuchtige und dann die Gegensätze: das ganz Zarte, Intime, der Augenblick, in dem die Zeit gerinnt.

Was verstehen Sie unter guter Musik und wie fing alles an?
Musik, die mich in den Bann zieht, Emotionen auslöst.
Der Amadeus-Film von Milos Forman hat mich, als ich dreizehnjährig war, so für klassische Musik begeistert, dass kein Halten mehr war.

Familie, erblich vorbelastet?
Keine Musiker in der Familie. Ich bin der Kuckuck.

Noch eine andere Profession?
Kleines Pensum Deutsch an einem Basler Gymnasium.

Hobbys?
Fitnesscenter, wenn das denn als Hobby gelten kann. Ansonsten bin ich in der glücklichen Lage, das zu tun, was mir Freude und deshalb ein Hobby überflüssig macht.

Lebensstationen?
Basel, dazwischen ein paar Monate London und Tessin.

Vorbilder?
Musikalisch: viele; darunter: Verdi, Beethoven, Janàcek, Richard Strauss (Salome, Elektra), Berg, Mahler, Schostakowitsch, Kurtàg, Sciarrino, meine beiden Lehrer Kelterborn, Rihm.

Die größten Stärken?
Konzentration und Durchhaltevermögen; beide nicht unwesentlich, wenn man monatelang vor einer Partitur brütet.

Die größten Schwächen?
Nein sagen fällt mir schwer.

Ich mag?
SIESTA, SOMMER, SCHOKOLADE.

Ich mag nicht?
Socken zusammenlegen, alles angeblich Essbare aus dem Meer, Winter.

Ich wünsche mir?
Dass ich und mein Umfeld auch in Zukunft glücklich sind.

Homepage: http://www.scartazzini.com

Bild Andrea Lorenzo Scartazzini, Foto: Michael Leibundgut

Zu Andrea Scartazzini

Andrea Lorenzo Scartazzini, geboren 1971 in Basel, studierte zunächst Germanistik und Italianistik an der Universität Basel. Ein Kompositionsstudium absolvierte er bei Rudolf Kelterborn in Basel und bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe. 1999/2000 verbrachte er ein Studiensemester an der Royal Academy of Music London. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, unter anderem die Jakob Burckhardt-Auszeichnung der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung Basel, den Riehener Alexander Clavel-Preis sowie den Studienpreis der Ernst von Siemens-Stiftung München.

Scartazzinis Musik wurde sowohl in der Schweiz als auch im Ausland unter anderem an den Salzburger Osterfestspielen 2000 und am Lucerne Festival 2001 aufgeführt. 2004/2005 lud ihn die Universität Witten/Herdecke als Composer in residence ein. Viel beachtet wurde die Uraufführung seiner Oper «Wut» im Theater Erfurt zur Eröffnung der Saison 2006/2007. Vor kurzem erschien beim englischen Label Guild Music eine CD mit Liedern.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Die Buchbesprechung: spucke, spauze, speue


3land.- Man kann durchaus sagen, dass Markus Manfred Jung literarisch und auch sonst sehr aktiv ist. Dabei beschränkt er sich keineswegs auf die alemannische Mundart, schon gar nicht auf irgendwelche Regional- oder Volkstümelei. Obwohl er (auch) alemannisch schreibt, obwohl er der Region, in der er lebt, nicht nur literarisch tief verbunden ist. MM, wie er gerne unterschreibt, ist ein Mann der starken Bilder. Das gilt auch für sein neues Buch. "verfranslet diine flügel", illustriert von Bettina Bohn, ist zu großen Teilen der Krähe gewidmet. Gedichte über und an de "quaag", dem Totenvogel mit den manchmal ganz schön ausgefransten Flügeln, melancholisch-leise, deftig-ablehnend, zart und quaakig - und in hartnäckiger Kleinschreibung. Weshalb wir uns bei Zitaten auch daran halten.

"totechopf mit flügel", "gflüglete toteschädel", totgflüglete schwarzchopf, totegschädlete flügelwisch, verstüpplete vogel, liedrigs lueder" - MM stellt auch in diesem neuen Gedichtband seine Gabe unter Beweis, alemannisch handfeste Sprachbilder zu kreieren.Einige der Gedichte sind erstmals im Buch "am gääche rank", 2004 im Drey Verlag erschienen.

Wie er mit Worten umgeht, was sie ihm bedeuten, schildert er in seiner anschaulichen Sprache auf Seite 48 unter dem Titel "s wort":
"kaue
fresse
schlucke

wörterwörter
widerkäue
spucke spauze speue
"...

Für den Dichter, sagt er am Ende, sind Wörter das Asyl. Das klingt, als wäre es durchaus autobiografisch gemeint.

Denn MMs neues Buch ist auch Zwiesprache - mit diesem schwarzen Vogel natürlich, außerdem mit anderen Gedichten und deren Dichtern. Mit Peter Huchel* zum Beispiel und seinem in Hochdeutsch und in gängiger Groß- und Kleinschreibung verfassten Gedicht zum Tod, zur Krähe. Jung greift die Worte auf, wälzt sie in seinem Geist, ergänzt sie alemannisch. Noch ein Beispiel dazu:

"Der Vogel flog,
sein Fittich schlug das Licht
im Erlengrau..."

"hocksch uf nochbers firscht/chropfsch der die schwarzi seel us em hals/verwürgsch di schier selber drab/wecksch mi ungfrogt us mim totetiefe schloof"

Das also ist es, was MM unter "spucke spauze speue" versteht und was ihn für die alemannische Sprachlandschaft so unverwechselbar macht.

Noch ein Wort zu den Bildern von Bettina Bohn, Kunstpädagogin, Malerin, Bildhauerin, geboren 1954 in Freiburg mit Wohnsitz in Steinen. Sie steuerte leichte, oft in der Manier der japanischen Tradition entworfene Aquarelle bei sowie Bilder bei, in denen die Leinwand Lichter und Gegen-Muster setzt. Alles in Schwarzweiß. Auf ihre Weise stellt sie der Wucht der Worte etwas Versöhnliches entgegen, den Beschimpfungen des Quaak den Pinselstrich der Beobachtung - und erlaubt damit ein kurzes Durchatmen, ehe es weitergeht mit den wörterwörtern.

Der in Gutach ansässige Drey Verlag hat 2006 einen vom Land Baden-Württemberg ausgelobten und mit 12.500 Euro dotierten Preis für literarisch ambitionierte Kleinverlage erhalten, der alle zwei Jahre vergeben wird. Gegründet wurde der Verlag 1995 von Verleger Wurth und zwei Freunden, dem Herausgeber, Lyriker und Erzähler Markus Manfred Jung sowie dem Layouter Franz Handschuh aus Freiburg. "Das ist der eine Grund, weshalb er "Drey Verlag" heißt" , wie Wurth erklärt.

Markus Manfred Jung, "verfranslet diine Flügel", mit Bildern vvon Bettina Bohn
Drey Verlag, ISBN:978-3-933765-36-9, 18 Euro

Am Buck 2
77793 Gutach
07833/8088
Drey@drey-verlag.com .

Links und Infos:
Mehr zu Markus Manfred Jung:

*Peter Huchel (* 3. April 1903 in Lichterfelde bei Berlin; † 30. April 1981 in Staufen; eigentlich Hellmut Huchel) war ein deutscher Lyriker und Redakteur - mehr

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